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Im Fokus - Überzeit

Von Andreas Mathys

So wie die Überstunden ist auch die Überzeit gesetzlich verankert. Hier gibt es einige spannende Fragestellungen zur Definition von Überzeit, wöchentlicher Höchstarbeitszeit und täglicher Höchstarbeitszeit.

Arbeitszeiten und Überstunden haben wir im Beitrag "Im Fokus -  Überstunden" behandelt. Im Raum steht immer noch die Aussage eines Mitarbeitenden, die da lautet: «Oh, ich musste letzte Woche wieder viel Überzeit arbeiten». In diesem Beitrag nähern wir uns dem Wahrheitsgehalt dieser Aussage aus Sicht des Gesetzgebers. Wie und wann es zu Überzeitarbeit kommt, behandeln wir im ersten Teil. Die korrekte Abrechnung, Auswertung und Kontrolle der Überzeit aus Sicht eines Zeiterfassungssystems lesen Sie ab Punkt 2. Es bleibt spannend.

Die Überzeit

1. Wann habe ich denn nun Überzeit geleistet?

1.1 Tages- und Abendarbeit

1.2 Die wöchentliche Höchstarbeitszeit

1.3 Kürzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit

1.4 Überzeitarbeit (Artikel 12, 13 ArG; 25 ArGV 1)

1.5 Tägliche Höchstarbeitszeit

1.6 Zusammenfassung Überzeit
 

2. Das Zeiterfassungssystem unterstützt Sie bei

2.1 der Ermittlung der Überzeit

2.2 der Berechnung “Kürzung wöchentliche Höchstarbeitszeit”

2.2 der Auswertung von Kennzahlen / Trends

2.3 der Kompensation von Überzeit


3. Fazit

 

1. Wann habe ich denn nun Überzeit geleistet?

Um diese Frage beantworten zu können, muss man zuerst wissen, wo die wöchentliche Höchstarbeitszeit angesetzt ist.

Die Woche beginnt im Sinne des Gesetzes mit dem Montag oder bei mehrschichtigen Systemen in der Sonntag-/Montagnacht und endet mit dem Sonntag resp. in der Samstag-/Sonntagnacht. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über den ununterbrochenen Betrieb (Art. 16 Abs. 1 ArGV 1).

1.1 Tages- und Abendarbeit (Artikel 10 ArG)

Die Arbeit von 6:00 bis 20:00 Uhr gilt als Tagesarbeit, die Arbeit von 20:00 bis 23:00 Uhr als Abendarbeit.

Tages- und Abendarbeit, d.h. die Zeit zwischen 6 und 23 Uhr (17 Stunden), ist bewilligungsfrei.
Abendarbeit kann vom Arbeitgeber jedoch erst nach Anhörung der Arbeitnehmenden eingeführt werden.

1.2 Die wöchentliche Höchstarbeitszeit

Gemäss Artikel 9 ArG und  Artikel 2 ArGV 1 beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit:

  • 45 Stunden pro Woche für Arbeitnehmende in industriellen Betrieben, Büropersonal, technische und andere Angestellte, Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels
  • 50 Stunden pro Woche für alle übrigen Arbeitnehmenden.[i]

Die Höchstarbeitszeit wird bei Teilzeitarbeitnehmenden nicht reduziert. Auf die Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit (Artikel 22 ArGV 1) wird hier nicht näher eingegangen.

Im Normalfall beginnt die Arbeitswoche am Montag um 0:00 Uhr und endet am Sonntag um 24:00 Uhr. Alle dazwischen liegenden Arbeitszeiten bilden die wöchentliche Arbeitszeit.

Die Arbeitszeit einzelner Schichten, die über Anfang oder Ende der Woche zu liegen kommen, soll nicht auf zwei Arbeitswochen aufgeteilt werden müssen. Deshalb wird in Schichtsystemen mit Arbeitszeitblöcken, die in der Nacht von Sonntag auf Montag liegen und die Wochengrenze überschreiten, der Beginn der Woche auf den Zeitpunkt festgelegt, an dem diese Sonntagnacht-/ Montagnacht-Schicht beginnt. Die Woche endet dann zur gleichen Stunde eine Woche später.

1.3 Verkürzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit kann verkürzt werden (Artikel 23 ArGV 1). In Wochen, in denen ein oder mehrere den Sonntagen gleichgestellte gesetzliche Feiertage auf einen Werktag fallen, an dem der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin üblicherweise zu arbeiten hat, wird die wöchentliche Höchstarbeitszeit anteilsmässig gekürzt.

verkurzung ueberzeit

Eine detaillierte Berechnung dazu finden Sie unter 2.2.

1.4 Überzeitarbeit (Artikel 12, 13 ArG; 25 ArGV 1)

Überzeitarbeit liegt vor, wenn die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten wird. Dies darf nur ausnahmsweise erfolgen und soweit als andere Massnahmen nicht zumutbar sind. Es muss sich um ausserordentliche Situationen handeln, die unvorhergesehen eintreten oder die mit den vorhandenen Ressourcen kurzfristig nicht anders bewältigt werden können. Überzeitarbeit ist von der Überstundenarbeit nach Art. 321c OR zu unterscheiden.

Überzeitarbeit ist mit einem Lohnzuschlag von 25 % zu entschädigen. Ein Freizeitausgleich 1 : 1 ist nur dann möglich, wenn der betroffene Arbeitnehmer dies wünscht oder damit einverstanden ist.

Die Überzeitarbeit darf für den einzelnen Arbeitnehmer zwei Stunden am Tag (siehe 1.5,  “Tägliche Höchstarbeitszeit”) nicht überschreiten, ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen und darf pro Kalenderjahr nicht mehr betragen als:

  • 170 Stunden; bei wöchentlicher Höchstarbeitszeit von 45 Stunden;
  • 140 Stunden; bei wöchentlicher Höchstarbeitszeit von 50 Stunden.

Überzeitarbeit ist nur als Tages- und Abendarbeit und nur an Werktagen zulässig.

Auf Sonderfälle bzw. Notfälle (Artikel 26 ArGV 1) wird hier nicht genauer eingegangen.

1.5 Tägliche Höchstarbeitszeit

Gemäss Artikel 12 Absatz 2 des Arbeitsgesetzes darf ein Arbeitnehmer nicht mehr als 2 Stunden pro Tag Überzeit leisten (ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen). Da das Gesetz keine tägliche Höchstarbeitszeit definiert hat, fällt die Überzeit erst beim Überschreiten der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 bzw. 50 Stunden an (SECO).

Innerhalb eines täglichen Zeitraums von 14 Stunden kann der Arbeitnehmer (nach Abzug der geschuldeten Pausen) maximal 12.5 Stunden Arbeit leisten. Ab dem 4-ten Tag kann der Arbeitnehmende maximal 2 Stunden mehr als die 45 Stunden leisten (ergibt 9.5 Stunden Arbeitszeit am 4-ten Tag). Am 5-ten Tag beträgt die tägliche Arbeitszeit noch maximal 2 Stunden (Artikel 12 Absatz 2 ArG). D.h. sobald die wöchentliche Höchstarbeitszeit erreicht ist, dürfen täglich nur noch maximal 2 Stunden gearbeitet werden. (SECO)

wochentliche uberstunden

1.6 Zusammenfassung Überzeit

Überzeit liegt vor, wenn die wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten wird. Die Überzeitarbeit darf nur ausnahmsweise erfolgen und nur soweit andere Massnahmen nicht zumutbar sind.

Die Kompensation der Überzeit ist nur mit Einwilligung des Arbeitnehmenden zulässig. Die Kompensation hat innerhalb von 14 Wochen zu geschehen, sofern schriftlich nichts anderes vereinbart wurde. Ansonsten ist die Überzeit mit einem Zuschlag von 25% zu entlöhnen, bei  Arbeitnehmenden mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden jedoch erst ab 60 Stunden im Kalenderjahr.

Die Überzeitarbeit darf für den einzelnen Arbeitnehmenden zwei Stunden am Tag nicht überschreiten, ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen. Im Kalenderjahr darf die Überzeit bei einer Höchstarbeitszeit von 45 Stunden nicht mehr als 170 Stunden betragen. Bei einer Höchstarbeitszeit von 50 Stunden nicht mehr als 140 Stunden.

In Wochen, in denen ein oder mehrere dem Sonntag gleichgestellte gesetzliche Feiertage auf einen Werktag fallen, an dem der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin üblicherweise zu arbeiten hat, wird die wöchentliche Höchstarbeitszeit anteilsmässig gekürzt.

Die Gesetzesbestimmungen sind, unter Vorbehalt der Artikel 2-4 ArG, anwendbar auf alle öffentlichen und privaten Betriebe.

2.  Das Zeiterfassungssystem unterstützt

2.1 Die Ermittlung der Überzeit

Ein Zeiterfassungssystem unterstützt Sie bei der Unterscheidung zwischen Überstunden und Überzeiten. Sie können Regelungen für Personengruppen mit der 45h- und der 50h-Grenze

blog fokus uberstunden

In dieser Abbildung wird ein vertragliches Wochensoll von 40 Stunden angenommen. Vertraglich ist es möglich, ein Pensum bis zur Höchstarbeitszeit zu vereinbaren. In der Praxis wird bei Kadermitarbeitern im Vertrag meist eine Klausel eingebaut, die festlegt, dass Überstunden im Lohn inbegriffen sind (Lohnbestandteil).

Im Zeiterfassungssystem werden Überstunden, Überzeiten wie auch die Anzahl der Kalenderwochen mit Überzeit pro Kalenderjahr ermittelt. Sowohl die Anhäufung der Überzeit wie auch die Kompensation kann automatisiert in einer Wochenbetrachtung erfolgen.

2.2 Berechnung ”Kürzung wöchentliche Höchstarbeitszeit”

Betrachten wir die Kürzung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit etwas genauer. Fällt z.B. ein Feiertag auf einen Werktag, an dem der Arbeitnehmende üblicherweise arbeitet, wird die wöchentliche Höchstarbeitszeit anteilsmässig gekürzt (Art. 23 Abs. 1 ArGV 1).

Beispiel aus der Wegleitung zum Arbeitsgesetz und den Verordnungen 1 und 2[i]:

Normalerweise wird von Montag bis Donnerstag je 8.5 Stunden gearbeitet. Am Freitag ist die Arbeitszeit um 1 Stunde kürzer, beträgt also 7.5 Stunden. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt somit 41.5 Stunden. Nun fällt ein den Sonntagen gleichgestellter Feiertag auf einen Donnerstag.

Es fallen also 8.5 Stunden im Verhältnis zu 41.5 Stunden aus. Das sind 20,5% der effektiven wöchentlichen Arbeitszeit. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit ist also ebenfalls um 20,5% zu kürzen und beträgt bei einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden in dieser Woche nur noch 35.8 Stunden.

Berechnungsschritte

Verhältnis Feiertag zu Wochensollzeit (41.5h zu 8.5h)

1. Berechnung Verhältnis Feiertag zur Wochensollzeit

Zuerst berechnen wir das Verhältnis der Sollzeit des Feiertags zur Wochensollzeit:

Grundwert (G):                     Wöchentliche Sollzeit =  41.5h

Prozentwert (W):   Reduzierender Feiertag = 8.5h

Prozentsatz (P):                    Verhältnis in Prozent = ist gesucht

P= (W x 100) / G

P = (8.5 x 100) / 41.5h = 20.48%

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45h muss nun in einem weiteren Schritt um 20.5% gekürzt werden.

 

Kürzung wöchentliche Höchstarbeitszeit

2. Berechnung reduzierender Wert (W = Prozentwert)

Dazu berechnen wir, wieviel die 20.5% von 45h sind:

Grundwert (G):                     Wöchentliche Höchstarbeitszeit = 45h

Prozentwert (W):   Reduzierender Wert = ist gesucht

Prozentsatz:                          20.5%

W= (G x P) / 100

W = (45 x 20.5) / 100 = 9.225h

 

2. Reduktion der Höchstarbeitszeit

Nun reduzieren wir die wöchentliche Höchstarbeitszeit um diesen Wert W

45h – 9.225h = 35.8h

Bei flexiblen Arbeitszeitsystemen (z.B. Gleitzeitsysteme) ist bei der Berechnung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von der Sollarbeitszeit pro Woche bzw. von deren gleichmässig auf die Arbeitstage verteilten täglichen Sollzeit auszugehen (durchschnittliche Sollzeit).

In Wochen mit einer gekürzten wöchentlichen Höchstarbeitszeit beginnt die Überzeit, sobald die gekürzte wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten wird.

verkurzung ueberzeit

2.3 Kennzahlen / Trends

Das Zeiterfassungssystem zeigt transparent z.B. auf einem Dashboard oder bei Auswertungen den aktuellen Status der Überstunden und der angefallenen Überzeit an.

Übersteigt die Überzeit kritische Werte, kann Sie das Zeiterfassungssystem proaktiv darauf aufmerksam machen. Hier liegt der Fokus auch auf der zulässigen Überzeit pro Kalenderjahr.

2.4 Kompensation Überzeit

Falls gewünscht kann im Falle eines negativen Gleitzeit-Wochensaldos die Kompensation der Überzeit automatisiert erfolgen.

2.5 Auszahlung der Überzeit

Kommt es zur Auszahlung der Überzeit, kann das Zeitsystem die Stunden direkt mit dem Zuschlag von 25% bewerten und mittels einer Schnittstelle an ein Lohnprogramm transferieren. Bei einer Schnittstelle entfällt das manuelle Abtippen der Werte und damit auch eine mögliche Fehlerquelle.

3. Fazit

Die einleitend beschriebene Aussage des Mitarbeitenden: «Oh, ich musste letzte Woche wieder viel Überzeit arbeiten» kann abschliessend also nur richtig beurteilt werden, wenn die Details zu seiner Arbeitszeit transparent vorliegen und auch, ob in dieser Woche die Höchstarbeitszeit ggf. durch Feiertage reduziert wurde.

Gerade bei der Überzeitabrechnung und Kontrolle der angefallenen jährlichen Überzeiten ist man in der Regel auf ein Zeiterfassungssystem angewiesen, welches die korrekten Daten ermittelt und die gewünschten Kennzahlen ausgibt. Im besten Fall werden Sie proaktiv auf bevorstehende Verletzungen der Höchstarbeitszeit aufmerksam gemacht. Auszahlungen, ggf. auch zuschlagsberechtigt, transferieren Sie bequem mittels Schnittstelle an ein Lohnprogramm.

Weitere Blogbeiträge mit rechtlichem Hintergrund

 


[i] Staatssekretariat für Wirtschaft SECO - Wegleitung zum Arbeitsgesetz und den Verordnungen 1 und 2


[i] Staatssekretaria für Wirtschaft SECO - Arbeits- und Ruhezeiten